Standesamtliche Eheschließung
Kommentare
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Rechtsdirektor Erdle, mit Verlaub: Ein solcher Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes ist zunächst doch keine gesellschaftspolitische Anmerkung, sondern ein juristischer Einwand. Sie vermeiden in Ihrer Antwort, das Gesetz für verfassungskonform zu erklären, stellen nur in Abrede, dass diese Norm so klar verfassungswidrig ist, dass sie von der Stadt Pfaffenhofen verworfen werden darf. Dies möchte ich in Frage stellen. Die Verfassungswidrigkeit sollte hier offensichtlich genug sein. Neben dem bereits Genannten, also dem Grundgesetzkommentar und der Einschätzung durch den Bundesinnenminister, seien als Beleg im selben Sinne nur angeführt: - das Bundesverfassungsgericht mit ständiger Rechtsprechung (z. B. Urteil vom 17. Juli 2002) - noch 2015 auch das Bundesjustizministerium in einer Stellungnahme - Bausback, bayerischer Justizminister - sogar Merkel, Bundeskanzler - Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Wie die Gesetzesänderung zustande gekommen ist, ist bekannt. Sie wurde vom alten Bundestag zum Ende der Legislaturperiode am 30. Juni eiligst beschlossen und kurz darauf vom amtierenden Bundespräsidenten unterzeichnet, um am 1. Oktober in Kraft zu treten. Den Hintergrund bildeten wohl Erwägungen mit Blick auf Koalitionsoptionen nach der Bundestagswahl. Das aber nur am Rande. Wenn die Kontrollinstanzen gegenüber dem Parlament - der Bundespräsident (mit Verweigerung der Ausfertigung des Gesetzes) bzw. die Bundesregierung, ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages und die Regierungen der Länder (mit abstrakter Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht) – in diesem Fall bisher versagt haben und sich das Bundesverfassungsgericht ja von selbst nicht mit dem Gesetz befasst, dann müssen nun eben die Gemeinden mit Verweis auf Artikel 6 des Grundgesetzes, der unmittelbar gilt, gleichgeschlechtliche Eheschließungen bei sich ablehnen. Bei uns ist das die Stadt Pfaffenhofen. In der Folge steht es dem gleichgeschlechtlichen Paar, das hier am 10. Oktober standesamtlich eine Ehe schließen möchte, frei, den Rechtsweg zu beschreiten. MfG Mi. Hahn
von Mi. Hahn am 4. Oktober 2017 19:57
Welches Problem haben Sie denn genau mit der Ehe für alle? Ist nicht jeder Schritt in Richtung Gerechtigkeit begrüßenswert? Warum sollten homosexuelle Personen nicht heiraten dürfen? http://www.sueddeutsche.de/politik/ehe-fuer-alle-ist-die-ehe-fuer-alle-verfassungswidrig-1.3570058
von A. Baum am 6. November 2017 17:17
Sehr geehrter Hahn, aus juristischer Sicht darf ich Ihre gesellschaftspolitische Anmerkung wie folgt beantworten: Im gewaltenteilenden System der Bundesrepublik Deutschland kommt eine sogenannte "Normverwerfungskompetenz", das heißt die Berechtigung zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit von Bundesgesetzen, der Rechtsprechung in Gestalt des Bundesverfassungsgerichtes zu. Die staatsrechtliche Ordnung seit 1949 hat die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit von Bundesgesetzen korrekterweise in die Fachkompetenz der Richter des Bundesverfassungsgerichtes gelegt. Den Kommunen als letztlich ausführendes Verwaltungsorgan steht eine solche Normverwerfungskompetenz – außer ggf. in Ausnahmefällen der offensichtlichsten Verfassungswidrigkeit einer Norm – nicht zu. Mit freundlichen Grüßen Florian Erdle Rechtsdirektor
von Florian Erdle am 4. Oktober 2017 10:48